(PM-PBU) – Vor ca. sechs Monaten gab der Leiter der Abteilung Netzausbau der Bundesnetzagentur, Matthias Otte, den von der Ultranetleitung betroffenen Menschen in Pulheim Geyen an der Trasse höchstpersönlich eine feste Zusage: Die von der PBU gemeinsam mit der Stadt Pulheim eingebrachte alternative Leitungsführung werde gemäß Bundesfachplanungsbeschluss objektiv und neutral innerhalb der anstehenden Planfeststellung geprüft. Eine Umsetzung der Alternative sei dementsprechend selbstverständlich noch möglich.
Nun wird deutlich, dass es sich bei dieser Zusage offenkundig um ein leeres Versprechen aus der Behörde handelte. Denn die politischen Entscheidungsträger haben nach Jahren des kritischen Austauschs und des berechtigten Protests ohne weitere Ankündigung rückwirkend die Spielregeln geändert.
Mit der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes (Artikelgesetz BGBl 2022 I 28), welche das Bundeswirtschaftsministerium Ende Juli vorlegte, werden nun die Prinzipien des bisherigen Verfahrens inklusive der bereits seit Jahren laufenden sogenannten „Bürgerbeteiligung“ einseitig aufgekündigt. In einem Strategiepapier zur „Beschleunigung des Netzausbaus“ hatten die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (50 Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW) dies vorab schon eingefordert.
Welche Änderungen bringt das Gesetz?
Neben vielen weiteren Änderungen diverser Gesetze wurde auch eine massive Einschränkung der Variantenprüfungen im Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) durchgesetzt. Diese Einschränkung betrifft alle Vorhaben, die auf bestehenden Trassen basieren – also vor allem auch Ultranet.
Das Gesetz versucht – unabhängig vom bisher geltenden 1000 Meter Korridor – alle alternativen Trassenverläufe, die mehr als 200 Meter von der Bestandstrasse abweichen, grundsätzlich für unzulässig und damit für nicht einmal als in der Planfeststellung prüfungsnotwendig zu erklären. Ausnahmen von dieser 200 Meter Begrenzung gibt es nur aus europäischen natur- und artenschutzrechtlichen Gründen.
Somit hat der Gesetzgeber (heißt: Bundestag und Bundesrat) uns und vielen anderen Bürgerinitiativen und Kommunen die mühsam erkämpften und noch in der Bundesfachplanung zugesagten Variantenprüfungen innerhalb des Trassenkorridors kurzerhand gestrichen.
Doch damit nicht genug: In § 49 EnWG werden alle Wetterereignisse zu seltenen, und damit faktisch nicht mehr zu beachtenden Ereignissen erklärt – und damit voraussichtlich dem Lärmschutz/TA Lärm im Zusammenhang mit Höchstspannungsfreileitungen auch noch jede Wirksamkeit genommen. Übersetzt heißt das, die bisher geltenden Lärmschutzregeln werden im Sinne der Netzbetreiber ausgehebelt und eine dauerhafte Lärmemission durch Ultranet ganz lapidar für zulässig erklärt.
Wie bewerten wir diese Änderungen?
1. Eine objektive Variantenprüfung hat als rechtsstaatliches Prinzip Verfassungsrang und kann nicht pauschal abgelehnt werden. Zudem wird kein einziger fachlicher Grund für die neue, offenbar willkürliche 200 Meter Regelung genannt.
2. Die massive gesetzgeberische Einschränkung des Lärmschutzes ist unverhältnismäßig. Eine Regelung, die gesundheitsschädlichen Lärm nicht verhindert, sondern sogar ermöglicht, ist schlichtweg verfassungswidrig.
Unser Fazit:
Wer geglaubt hatte, dass sich die Neubesetzung des Präsidentenamts der BNetzA durch den ehemals „obersten Verbraucherschützer“ Klaus Müller positiv auf die anstehenden Genehmigungsverfahren im Sinne von Bürgerfreundlichkeit und Transparenz auswirken werde, wird tief enttäuscht. Dass sich noch dazu ein grün geführtes Wirtschaftsministerium in dieser Art und Weise bewusst gegen die seit Jahren aktiven und konstruktiv mitarbeitenden Bürgerinitiativen stellt, ist fast schon unverzeihlich.
Die selbst als Bürgerbewegung gestartete Partei ließ sich übrigens kurz danach ausgerechnet von dem als Vorhabenträgerin agierenden Übertragungsnetzbetreiber Amprion als Sponsor die Bundesdelegiertenkonferenz mitfinanzieren. Vor diesem Hintergrund – unabhängig von der konkret gezahlten Summe – durchaus ein Skandal.
Es verfestigt sich zudem maßgeblich der Eindruck, dass vorangegangene Gespräche mit Behörde und politischen Entscheidungsträgern verantwortlicher Bundesparteien nur zum Zwecke der strategischen Einbindung erfolgten. Die gesetzlichen Änderungen, welche die ohnehin schon verkümmerten Möglichkeiten eines fairen Genehmigungsprozesses ersichtlich noch weiter einschränken sollen, sprechen diesbezüglich leider eine eindeutige Sprache. Der offensichtliche Versuch des Wirtschaftsministeriums, zugunsten von Konzernen einseitig geltende verwaltungsrechtliche Regeln zu umgehen, ist völlig indiskutabel.
„Wir beobachten seit Jahren, dass sich in der Bundespolitik zusehends eine Art Ausbau-Ideologie beim Übertragungsnetz durchsetzt“, kritisiert PBU Vorstand Arne Westphal. „Ein kritisches Hinterfragen, was alternativ nötig und einer nachhaltigen Energiewende dienlich ist, erfolgt augenscheinlich nicht mehr. Eine zeitnahe großflächige Stromversorgung durch Erneuerbare Energien benötigt neben dezentraler Erzeugung z.B. auch eine Verteilnetzstärkung und parallel Speicherzubau. Zudem müssen vielmehr Anreize für erzeugungsnahe Verbräuche speziell auch für die Industrie gesetzt werden.“
Die genannten Maßnahmen wären die richtige Antwort auf die derzeitige europäische Energiekrise mit dem Ziel von mehr Autarkie. Das Energiesystem der Zukunft ist dezentral und zellular angelegt. Daran wird langfristig auch die beschriebene rücksichtslose Klientelpolitik der Bundesregierung im Sinne der Übertragungsnetzbetreiber nichts ändern.